Udo Heimansberg, Filmkunstkino GmbH © Marcus Schmitz

Die Digitalisierung des Kinos Chance für die lokale Kulturszene

 

Udo Heimansberg ist ein Urgestein der Kinobranche. Man könnte sich tagelang mit ihm unterhalten – nie würde ihm die Puste ausgehen, Geschichten und Anekdoten, Kurioses und Grandioses aus dieser Welt zum Besten zu geben, der er seit rund 40 Jahren angehört. Dabei hatte der studierte Diplom-Grafiker, Jahrgang 1950, am Beginn seines Werdegangs ganz andere Pläne, als der Düsseldorfer Kinolandschaft mit seiner Filmkunstkinos GmbH den Stempel aufzudrücken.

 

„Ursprünglich“, so erzählt er bei einer Tasse Kaffee im Foyer eines seiner Lichtspielhäuser, „ursprünglich wollte ich in der Werbung Karriere machen. Als gebürtiger Düsseldorfer in der damals boomenden Werbemetropole lag es nahe, sich dort kreativ zu betätigen.“ Wenn da nicht seine Leidenschaft fürs Kino wäre, die ihn seit seiner Jugend gepackt hat und derentwegen er als Student in verschiedenen Filmtheatern ein paar Mark verdiente. Und die Tatsache, dass er 1974 nach 2 Jahren in der Werbebranche vor die Tür gesetzt wurde und sich nach einer neuen Stelle umsehen musste. Es war schon eine glückliche Fügung, dass zur selben Zeit der Kinobesitzer Willi Goldermann, der das berühmte SAVOY-Filmtheater betrieb, einen Theaterleiter suchte. Heimansberg, fachfremd wie er war, bekam eine 3-tägige „Grundausbildung“. Den Rest musste er sich im täglichen Einsatz aneignen. Doch er bestand die Prüfung und wurde nach Duisburg befördert – im doppelten Wortsinne –, denn dort war er nicht nur allein verantwortlich für den Betrieb mehrerer Filmtheater, sondern auch außerhalb des Einflusses von Herrn Goldermann, was er offenbar sehr genoss. Erst 1979 wechselte er zurück in seine Heimatstadt, und wieder war es ein Wink des Schicksals, dass das Stadtteilkino METROPOL frei wurde, das aufgrund schlechter Besucherzahlen und der vermeintlich unattraktiven Lage heruntergewirtschaftet worden war. Heimansberg ergriff die Gelegenheit und kündigte seinen sicheren Job bei der Firma Goldermann, um sich als Betreiber eines eigenen Kinos selbständig zu machen.

 

Düsseldorfs ältestes Kino

Das METROPOL hatte 1940, mitten im Krieg, seine Pforten geöffnet, zu einer Zeit, als es in der Stadt bereits zahlreiche ältere Lichtspielhäuser gab. Es verwundert den Kenner der lokalen Kinoszene deshalb ein wenig, dass dieses Kino heute das noch älteste der Stadt ist, obwohl es im Krieg in Schutt und Asche gelegt worden war. Aber das Kinosterben der zurückliegenden Jahrzehnte und das Aufkommen der Multiplexe hatten viele kleine Lichtspielhäuser zur Aufgabe gezwungen. Am Ende dieser traurigen Entwicklung blieb nur noch eine Handvoll traditioneller Kinos übrig, darunter das wieder aufgebaute METROPOL, die größtenteils von der Filmkunstkinos GmbH betrieben werden. Hinter der Gesellschaft mit dem vollen Namen Metropol Düsseldorfer Filmkunstkinos GmbH stecken Udo Heimansberg und Kalle Somnitz, die sich seit 1983 kennen und seit 1998 gemeinsam unter diesem Namen firmieren. Die Aufgabenverteilung der beiden Cineasten ist klar: Somnitz kümmert sich um die Programmgestaltung und arbeitet sich dafür täglich durch Berge von Neuerscheinungen, um zu entscheiden, welches Werk beim Publikum ankommen und in welchem der 5 betriebenen Kinos gezeigt werden könnte. Heimansberg hingegen ist für den „physischen Betrieb“ verantwortlich, wie er es nennt. Dabei geht es um die Instandhaltung des Interieurs und um die technische Ausstattung und Modernisierung. Besonders aus letzterem Grunde kann er sich gegenwärtig über Arbeit nicht beklagen. Die gesamte Kinowelt stellt auf digitalen Betrieb um und die alten Celluloid-Filme verschwinden nach und nach von den Leinwänden. Nicht nur finanziell muss im Rahmen dieser Entwicklung viel gestemmt werden. Auch der organisatorische Aufwand ist enorm, gilt es doch, die Häuser bespielbar zu halten und die Zeiten, in denen umgerüstet wird, auf ein Minimum zu reduzieren, um die Einbußen gering zu halten.

 

Udo Heimansberg, Filmkunstkino GmbH © Marcus Schmitz

Die Szene für anspruchsvolles Kino lebt

Doch der Aufwand, den beide betreiben, lohnt. „Die Digitalisierung ist eine enorme Chance für uns Kinobetreiber“, gibt Heimansberg unumwunden zu. „In einer Stadt, in der es 3 Multiplexe gibt, während das doppelt so große Köln nur 1 vergleichbar großes Kino hat, ist der Konkurrenzdruck enorm. Doch diese neue technische Entwicklung eröffnet uns die Möglichkeit, auch Filme zu zeigen, die nicht von den großen Studios kommen, sondern vielleicht sogar von heimischen Filmemachern. Es ist alles so wunderbar einfach: Mit einer DVD oder Blue Ray in der Hand sind wir in der Lage, unabhängig von den Auflagen der großen Verleiher unser ganz individuelles Programm zu gestalten und damit noch gezielter auf die Wünsche unseres Publikums einzugehen.“ Udo Heimansberg sagt das mit einem Leuchten in den Augen – obwohl er der großen Zeit der 70-mm-Filme in 6-Kanal-Stereo-Magnetton schon hinterhertrauert. „Wir können die Entwicklung nicht aufhalten“, sagt er ohne jede Verbitterung. „Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass der Verschleiß der Celluloid-Kopien und die relativ kurze Haltbarkeit des Materials dieser Technik von vornherein Grenzen gesetzt haben.“ Das Neue, auch wenn es ein globales Phänomen ist und die weltweite Vereinheitlichung der Standards vorantreibt, muss nicht zwangsläufig schlecht sein. Heimansberg ist überzeugt, dass die heimische Kinolandschaft von den Vorteilen dieser Entwicklung profitieren wird. Nicht zuletzt dadurch, dass auch der lokale Bezug beispielsweise bei Film-Matineen und Sondervorstellungen viel stärker berücksichtigt werden kann, als es im Celluloid-Zeitalter der Fall war. Nach der Resonanz des Publikums zu urteilen, braucht er sich keine Sorgen um sein Geschäft zu machen. Eine lebendige Kulturszene ohne Kino ist nach wie vor völlig undenkbar.

 

Kultur ohne Zuschuss funktioniert nicht

Ebenso klar muss auch gesagt werden, dass der Betrieb der Filmkunstkinos GmbH in der Form nicht aufrechterhalten werden könnte ohne die jährlichen Zuschüsse von Fördergeldern. Heimansberg macht aus dieser Tatsache keinen Hehl. „Kino ist seit Jahrzehnten ein Zuschussgeschäft – wie Theater oder Opernhäuser. Vom Zeigen von Filmen allein kann kein Kino leben, weder die Multiplexe hierzulande noch sonst wo. Geld verdienen wir Kinobetreiber eigentlich nur über den so genannten Nebenumsatz – sprich den Verkauf von Getränken, Popkorn oder Süßwaren.“ Mit ein Grund, warum sich der umtriebige Kinomacher immer mal wieder mit seinem Partner und den Angestellten hinsetzt, um nach neuen Absatzmöglichkeiten zu suchen. „Die Digitalisierung kommt uns da, wie erwähnt, sehr zu pass, weil wir in der Lage sind, stärker auf Kundenwünsche einzugehen und unser Programm flexibler zu gestalten. Beispielsweise durch die Wiedereinführung von Eispausen bei Filmen mit Überlänge.“ Dass Kultur ein Zuschussgeschäft ist, ist kein neues Phänomen. Die Anfänge der Filmförderung liegen in der Bundesrepublik in den 1960er-Jahren, als von staatlicher Seite erkannt wurde, dass es wichtig und richtig ist, die Produktion von heimischen bzw. anspruchsvollen europäischen Filmen gegen die US-amerikanische Übermacht zu schützen. Dieses Prinzip gilt auch heute noch, und erst im November 2012 ist die Filmkunstkinos GmbH wieder einmal von der Filmstiftung NRW für ihr Programm ausgezeichnet und mit 36.000 Euro Fördergeld bedacht worden. Neben dieser Finanzspritze ist auch der Zusammenhalt der vielen kleinen Programmkinos gegenüber den auf Blockbustern getrimmten Multiplexen enorm wichtig. Verbände wie die Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e. V. oder die Europa Cinémas unterstützen Kinos mit einem hohen Programmanteil deutscher bzw. europäischer Filme und treten auch als starker Lobbyverband gegenüber den übermächtig scheinenden Filmverleihern auf. Diese Form der Unterstützung, sei es finanzieller, organisatorischer oder auch moralischer Art, zahlt sich für die lokale Kinoszene doppelt und dreifach aus: Neben wenigen Städten bundesweit hat einzig Düsseldorf ein derart breit gefächertes Angebot anspruchsvoller Filme – nicht nur was die Erstausstrahlung von Neuproduktionen angeht, sondern auch bei Filmklassikern und sogar Stummfilmen. Die Szene lebt!, mag man freudig ausrufen. Und sie wird auch noch lange lebendig bleiben – allen Unkenrufen im Zeitalter des globalen Geschmacks und der Interneträubereien geistigen Eigentums zum Trotz.

 

Text und Fotos: Marcus Schmitz ©

 

Die Website der Filmkunstkino GmbH finden Sie hier.

 

Den Originalartikel, erschienen im KulturNetz, finden Sie hier.